Auch ohne Babyboom florieren in Deutschland zahllose profitable Beschäftigungstherapien für Mutter und Kind. Wem das reichhaltige (Über-)Förderungsangebot jedoch noch immer nicht genügt, der möge sich hier von ein paar vielversprechenden Upgrades inspirieren lassen.
Mit seinen wenigen Lebensmonaten ist mein Tigerkind bereits vollends in unserer Gesellschaft angekommen. Woran ich das gemerkt habe? An seinem Bespaßungsbedarf.
Während Caesar noch mit Stöckchen im Straßenstaub seine ersten Feldzüge plante, benötigt mein kleiner Feldherr schon heute eine ganze Legion an Unterhaltungsgütern. Unser Wohnzimmer gleicht daher der Spielzeuglagerstätte des Weihnachtsmannes: Verschiedene Spielwiesen, eine Türrahmenschaukel, eine batteriebetriebene Schaukel, eine Wiege und unzählige (vermeintlich pädagogisch wertvolle) Spielzeuge. Diverse Rasseln, Bälle, Autos, Gummitiere und Holzklötzchen mit lauter abstrusen Motiven. Zum Beispiel eine Kreuzung aus Winnie Puh und dem bösen Wolf aus Rotkäppchen. Mit Mütze. Oder ein violett gepunkteter Dinosaurier mit neongrünem Sombrero. Hätte der sich damals so im Spiegel gesehen, wäre er wohl freiwillig ausgestorben. Zu allem Überfluss erstrahlen all diese Tierchen in Farbkombinationen, die selbst bei Harald Glööckler Augenkrebs verursachen würden. Und trotz all dem schaut mich mein Tigerkind nach fünf Minuten bespielen mit großen erwartungsvollen Augen an, die fragen: „Und was machen wir jetzt?“. Da leben wir nun schon in einem Zeitalter voll von profitablen Beschäftigungstherapien, die allesamt ein sozial überkompetenztes Kind versprechen, und dennoch langweilt sich mein Sprössling. Wenn Babyschwimmen, Babygymnastik und Baby-was-auch-immer also nicht mehr ausreichen, dann hätte ich hier ein paar Vorschläge:
Babyklettern. Ab ins Tuch und hoch auf die Bäume! Was gibt es befreienderes als gemeinsames Schreien im Wald? Der Eine aus Hunger, der Andere aus Höhenangst – aber bestimmt ungemein fördernd für das Wir-Gefühl! Wer diesen Trip überstanden hat, der gönnt sich einen Tag im Babyspa. In seine Schönheit kann man schließlich nie früh genug investieren (zumindest hat es heute den Anschein). Also ab zur Miniküre und auch die drei ersten Härchen könnten durchaus eine milde Aloe Vera-Limonen-Kur vertragen. Mein persönlicher Favorit wäre jedoch ein Babybarista-Workshop. Endlich mal fetzige Figuren im Milchschaum und dazu gibt’s für die Kleinsten noch ein Topping nach Wahl: Bananenstreusel, Karottenwürfelchen, ein paar Kümmelkörner… Und eines Tages gibt es dann vielleicht ein Babycafé im Stadtzentrum. So richtig mit Drive-In für Buggys und veganen Luftballons.
In einer abenteuerlichen Hetzjagd stürzen sich heute zahllose überambitionierte Eltern (mit eindeutig zu vielen Zeitressourcen) von einem frühzeitlichen Förderprogramm ins nächste und scheinen dabei völlig zu vergessen, dass sich die motorischen und sozialen Fähigkeiten ihres Säuglings doch eigentlich von ganz allein entwickeln. Anstatt auf die Natur zu vertrauen investiert man lieber Zeit und Geld (wobei beides meist knapp) in Entwicklungsratgeber, zweifelhaft effektive Kurse oder Coachings aus der ständig nagenden Angst heraus, alles sei noch nicht genug. Und so sind auch mein Tigerkind und ich der Unterhaltungsindustrie für Säuglinge auf den Leim gegangen. Aber damit ist jetzt Schluss! Zum Henker mit der Förderung! Ab morgen wird wieder mit Knöpfen, Blättern und Straßenstaub gespielt! Nur die Sache mit dem Bananenstreusel-Milchshake überlegen wir uns nochmal.
Ich habe mich auch komplett heiß machen lassen von allen möglichen Ratgebern! Aber woher soll man es beim ersten Kind auch besser wissen? Gegen einen Baby-Spa hätte ich allerdings nichts einzuwenden, solange die Mama nebenbei auch behandelt wird ^^
Gruß, Hannah